Ich warne euch vor, das wird ein emotionaler
Blogeintrag.(den habe ich allerdings schon montag geschrieben, -heute habe ich dazu wieder abstand gewonnen. aber ich dachte ich kann euch ja mal auf dem laufenden halten, was mich so bewegt hier)
In meinen ersten Wochen gab es hier eine
Freiwillige, die immer wieder geweint hat, weil sie die Lebensbedingung der
Kinder so traurig fand. Mir ging das gar nicht so, irgendwie war das alles so
unreal. Und ich dachte: ja, so ist das halt. Und heute, nach 11 Wochen Ghana,
ist der erste Tag, an dem mir alles über den Kopf gewachsen ist. Im Projekt
fing es an, dass die eine Frau, die dort mithilft, das eine kleine Mädchen
gewaschen hat. Mit einem schäumenden Schwamm hat sie auch richtig das Gesicht
geschrubbt. Während ich sie abgetrocknet habe hat sie ganz still vor sich hin
geweint. Als ich dann Gifti die Zähne geputzt habe, wurde mir bewusst, wie
schlecht die Zahnbürsten sind. Die Borsten waren so hart, dass ich Angst hatte
ihre Milchzähne würden gleich herausfallen. Dann stand vor uns ein riesiger
Berg mit dreckigen Töpfen, Schalen und Besteck, die noch vom Wochenende stehen
gelassen wurden. Als wir nach Spüli gefragt haben, wurde uns – wie immer – die
Kernseife gebracht, die wir fürs Waschen der Kinder nehmen und die zum
Wäschewaschen genommen wird. Das heißt, erst kommt die Seife mit den Schwämmen
in Kontakt, mit denen über die Pilzinfektionen am Kopf geschrubbt wird, danach
werden die vollgeschissenen Schuluniformen mit der Seife eingeschäumt und
geschrubbt. Und dann wird sie uns in die Abspülschüssel geworfen. Ich bin mit
meinen beiden Zimmermädels zusammen im Projekt. Deshalb rede ich von wir. Als
die Köchin kam und meinte wir sollten mehr Seife nehmen, hat Bente einen Anlauf
gestartet und ihr versucht zu erklären, dass wir ungern diese Seife nehmen
wollen, die auch schon mit den Pilzinfektionen in Kontakt kam. Und: Sie hat es
kapiert. Erst einmal ging sie zu dem Projektleiter und es wurde getuschelt. Und
wir dachten schon, ui, ob das so gut ist sich in deren Gewohnheiten
einzumischen. Aber dann ist eine der Frauen losgezogen und hat uns eine Packung
Waschpulver für den Abwasch gekauft. Ob Waschpulver jetzt so gut für Geschirr
ist, ist eine andere Frage. Die Schüsseln, die wir abspülen, sind aus Plastik. Heute
habe ich festgestellt, dass sie mich an meine Kindheit erinnern. Das sind halt
so Plastikschüsseln, mit denen wir im Sandkasten gespielt haben. Ist das nicht
traurig? Warum können die Kinder hier nicht auch so eine gut behütete Kindheit
haben, wie wir sie gehabt haben? Zu den Schüsseln: hier sitzt in jeder Ritze
Palmöl. Man bekommt die Schüsseln einfach nicht mehr sauber. Dazu muss man
sagen, dass das Wasser auch schon nach drei Schüsseln dreckig ist, weil hier
für jedes Gericht Palmöl verwendet wird. Das Wasser durften wir nicht wechseln,
da Wasser heute kostbar war. Die Wasserleitung ist kaputt. Beim Frühstück gab
es heute für jedes Kind nur 2 Kellen Brei, mehr gab es nicht. Irgendwann kam
Christopher an, um sich in der „klaren“ Wasserschüssel zum Nachspülen der
Schüsseln seinen Mund zu waschen. Und eben auch, um seinen Durst zu löschen.
Felina hat ihn erst ermahnt, dass er das Wasser nicht trinken solle. Aber dann
wurde uns klar, dass es doch gar kein anderes Wasser zum Trinken gibt. Wie oft
füllen wir ihnen einen Becher aus der Tonne auf, in dessen Wasser tote Fliegen
schwimmen. Kein Wunder, dass die Kinder Würmer bekommen. Im Moment sind auch
nur die Hälfte der Kinder im Waisenhaus, da der Rest krank ist. Auch die eine
Frau, die dort arbeitet, ist so krank, dass sie momentan im Krankenhaus ist.
Und diese Pilze breiten sich wie verrückt aus. Seit ich hier bin, hat Gabi
einen Pilz am Kopf, der ist immer noch genauso groß wie am Anfang. Jetzt haben
noch 5 andere Kinder Pilze. Aber die Kinder teilen sich auch die Handtücher und
Schwämme, mit denen über die Pilze gegangen wird. Heute jedenfalls, als wir
beim Abwaschen standen, und wir plötzlich sahen, wie die Scheiße der kleinen
Mercy die Beine herunterlief, weil es heute mal keine Windel für sie gab, da
war dann die Grenze bei uns Dreien erreicht. Wir haben alles stehen und liegen
gelassen und sind gegangen. Auf dem Weg zum Taxi meinte ich, dass ich gerade
heulen könnte. Und dann meinte Bente: Dann weine doch einfach! Lass alles raus!
Das muss doch mal sein. Und dann liefen auch schon die Tränen bei mir.. :D
Heute ging mir das einfach alles ganz nah. Man wird in eine völlig andere Welt
geschmissen. Und die Entscheidung liegt bei einem selbst, wie man und ob man
die Mentalität, die Gewohnheiten akzeptiert oder ob man den Wille zeigt, etwas
verändern zu wollen. Fakt ist aber, dass man gar nichts verändern kann. Klar,
man kann losziehen und Klamotten, Zahnbürsten, Spüli, Schwämme, Medizin kaufen.
Aber geht denn alles nur mit Geld? Und wenn wir weg sind, dann wird doch das
eine Seifenstück wieder für alles genommen. Weil es eben auch zu teuer ist,
drei verschiedene zu nehmen. Eben saß ich mit Wiebke auf dem Sofa. Sie hilft in
einer Schule mit und kümmert sich dort um die Nursery, also um die ganz
Kleinen. In ihrer Schule wurde neulich ein Mädchen verprügelt. Da kam die
Mutter mit ihrer Tochter zu einer Lehrerin und hat darum gebeten, dass sie ihr
Kind vor der ganzen Schule mit einem Stock verprügelt. Das ist dann auch
passiert. Danach gab es wohl ein langes Gespräch zwischen Wiebke und dem
Schulleiter, bei dem dann versprochen wurde, dass die Kinder „nur noch“ auf die
Hände geschlagen werden und ihnen vorher erklärt wird, warum. Heute kam sie in
die Schule und hat festgestellt, dass für jeden Lehrer ein neuer Bambusstock
gekauft wurde. Sie wollte erst fragen, ob die Stöcker im Sonderangebot waren. Und
immer wieder hört sie, wie die Kinder geschlagen werden. Genau das meine ich.
Man kann einfach nichts ändern. Und es soll anscheinend auch nichts geändert
werden.
So meine Lieben, jetzt habe ich mal alles raus
gelassen, was mich bedrückt. Das musste mal sein. Die Schokolade aus dem
Päckchen und ein super leckeres Mittagessen haben mich dann auch wieder munter
gemacht. Übrigens: Bei uns immer Supermarkt hängt jetzt auch schon die
Weihnachtsdeko und man kann Baumschmuck und Plastikbäume kaufen. Ja, die Zeit
läuft und läuft.